„33% der Ebersberger Bürger sind unter 21 Jahren.“ Mit diesem Satz verschafft sich in Ebersberg 1973 eine neue Generation Gehör: die Jusos. Zwei der führenden Köpfe der Initiative waren Robert Schurer und allen voran Ewald Schurer (der mittlerweile verstorbene SPD-Politiker war nach 1989 für 11 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages).
Jugendarbeit in den örtlichen Vereinen hielt die Gruppe um die Brüder Schurer für nicht ausreichend, da diese Vereine „in ihren hierarchischen Gliederungen keine offenen und freien Begegnungsstätten sind“. Die Forderung der Jugendlichen: der politisch und weltanschaulich unabhängige und nichtkommerzielle Treffpunkt für Jugendliche.
"Mehr Demokratie wagen". Mit der legendären Rede von Willy Brandt setzte sich in Deutschland eine politische Bewegung unter den Menschen in Gang und inspirierte auch in Ebersberg Jugendliche zur offenen und demokratischen gesellschaftlichen Teilhabe.
Urheber der Idee eines unabhängigen Jugendtreffs wurden Dagmar und Hermann Artmaier, Ulli Bairl, Gerhard Fladerer, Ortwin Huber, Sebastian Schurer (3. Generation), seine beiden Brüder Ewald und Robert, Wolf Weber und Angelika Wittmann. Sie verfassen einen Fragebogen und luden zu einem ersten Treffen am 11. April 1973 in das Gasthaus Oberwirt ein. Gleichzeitig gründeten sie die „Aktion Jugendzentrum (AJZ)“. Zu begründen versuchten sie ihre Forderung mit einem Fragebogen (wie damals üblich im Matrizendruck, auf einem leicht gelblichen Papier, mit blau-violetter Farbe und dem unverwechselbaren Geruch nach Lösungsmitteln).
"Was wollt ihr denn?" So reagierte man in Ebersberg auf die Forderungen der Jugend, Robert Schurer schildert, wie die Stadtoberen dem Vorschlag mit Skepsis und auch Zurückweisung begegneten. Man zeigte sich angesichts der aufmüpfigen Jugend irritiert. Kirchliche Jugendarbeit und Jugendarbeit in Vereinen müsse eigentlich reichen, glaubte man. Die selbstbewussten Jugendlichen hingegen ließen nicht locker. Sie schafften es, das erste selbstverwaltete Jugendzentrum Bayerns zu etablieren. Nicht nur ein Gewinn für Ebersbergs Jugendarbeit. Der Weg dorthin war auch ein "Lehrpfad in Sachen Demokratie" (Robert Schurer).
Und es ging noch weiter: Im Ebersberger SPD-Ortsverein provozierten die Jusos 1978 den Generationswechsel. Der 20-jährige Robert Schurer wurde mit einem sensationellen Ergebnis in den Stadtrat gewählt. Der 24-jährige Ewald Schurer erkämpfte sich den Ortsvereinsvorsitz und gestaltete über Jahrzehnte die sozialdemokratische Politik in Ebersberg und auch im Bund.
"An der vielzitierten 'Schnittstelle zum vorpolitischen Raum' entfalteten die Jusos ihre größte Wirksamkeit nach außen (Dr. Helmut Platzer). Und dieser vorpolitische Raum wurde von Ebersbergs Jusos kreativ genutzt: Jugendzentrum, alternative Kulturarbeit, Abenteuerspielplatz."
Die Generation 1970 erinnert sich: Ein Pop-Fest mit 500 Jugendlichen, Eintrittspreis 2 Mark 50. Beweis genug für die Notwendigkeit einer neuen und zeitgemäßen Jugendarbeit, glaubten die Initiator*innen des AJZ. Danach folgte allerdings ein zähes Ringen um Anerkennung, passende Räume und die Finanzierung. Die Akteure sahen sich mehr als einmal dem Gegenwind durch konservative Stadträte ausgesetzt, die mit dem neuen Demokratiewillen noch etwas fremdelten. Doch die Jugendlichen scheuten keine Konfrontation. Schließlich kam das Thema auf die Agenda des Stadtrates. Die Jugendlichen legten ein schriftliches Konzept vor: zur inneren Struktur, zur Finanzierung und zu den Schnittstellen eines Trägerkomitees zwischen Stadt, AJZ-Rat und Sozialarbeiter, Schlichtungsausschuss inklusive. Letztlich unterstützte der damalige Bürgermeister Vollhardt (CSU) die Jusos in ihren Plänen.
Die Stadt überließ der Initiative im Sommer 1974 Räume im Keller der Volksschule in der Floßmannstraße. 1977 wurde ein Verein gegründet, die Jugendlichen konnten nun die Trägerschaft der Einrichtung selbst übernehmen. Nach über 25 Jahren des Kellerdaseins ging dann endlich der Wunsch der Gründer*innen in Erfüllung. Das AJZ erhielt für seine Jugendarbeit 2002 ein eigenes Haus in der Dr.-Wintrich-Straße.
Die Jugendlichen von einst wurden Journalisten, Juristen, Bundestagsabgeordnete, Jugendpfleger und engagierten sich viele Jahre weiterhin ehrenamtlich in der Politik. Sie stehen heute, 50 Jahre später, an der Schwelle zum Rentenalter, während das AJZ immer noch junge Menschen anlockt.
(Maria Weininger)